Blick nach vorne richten

Kirche ist heute ein wichtiger Teil der Gesellschaft. Nach Jahrhunderten von Streit um Vorherrschaft und Machtkämpfen haben wir eine moderne, belastbare Kooperation mit der Kirche, auf die wir nicht verzichten können. Ohne die Kirche wäre unser Staat und unsere Gesellschaft arm dran. Sie prägt unser Leben und unseren Alltag. Sie ist mahnender Begleiter der Politik und fordert uns mit ihren Ansichten und Normen heraus. Sie engagiert sich unermüdlich in der Bildungs- und Sozialarbeit, für Menschen, die Hilfe benötigen. Sie bietet Flüchtlingen Raum und Schutz und eine Stimme. Ich bin froh, dass wir eine streitbare und bereichernde Kirche haben.

Aber: Damit ist das Entscheidende bereits gesagt. Kirche ist Teil der Zivilgesellschaft. Sie ist ein wichtiger Teil, keine Frage. Die unter anderen Vorzeichen entstandene Trennung von Staat und Kirche ist heute Gewinn und fester Bestandteil unseres modernen Staatsverständnisses. Zur Zivilgesellschaft gehören die Kirchen genauso wie die jüdischen Gemeinden, die türkische Gemeinde oder die muslimischen Verbände. Naturschutzverbände, Flüchtlingsorganisationen und Bürgerinitiativen leisten genauso einen Beitrag zu unserer modernen und vielfältigen Gesellschaft.

Jahrhundertealte Verträge haben Staat und Kirchen eng aneinander gebunden. Eine richtige Trennung zwischen "Altar und Thron" existierte nicht. Es gibt guten Grund, die intransparenten Verträge aus alten Zeiten abzulösen, auch im Interesse der Eigenständigkeit der Kirche.

Der FDP-Antrag stellt die richtige Frage, nämlich "Ist das heutige Vertragswerk noch zeitgemäß?" Denjenigen, die finden, diese Frage sei unangebracht, da die Verträge unter einer Ewigkeitsklausel stehen, muss ich widersprechen. Verträge für die Ewigkeit: Das ist nicht mehr zeitgemäß. Ewigkeit gibt es vielleicht noch in Märchen, in romantischen Filmen aus Hollywood, und für die, die daran glauben, im Jenseits. Aber nicht im Hier und Heute, bei einem Vertrag mit dem Staat. Das ist keine Augenhöhe, das wäre eine Fußfessel. 

Aber, verehrter Herr Kubicki, aus ihrem Antrag spricht eine kleinliche Rechenmentalität. Sie sind der Jurist, nicht ich. Sie mögen Recht haben, dass man entsprechend der Verpflichtungen aus den Verträgen und dem Grundgesetz nicht anders kann als die Enteignungen gegen die Zahlungen aufzurechnen. Es scheint mir eine unlösbare Aufgabe.

Ich bin mir auch nicht sicher, zu wessen Gunsten die Aufrechnung ausginge. Nicht umsonst haben sich die Väter und Mütter des Grundgesetzes elegant aus der Affäre gezogen und den Auftrag weitergegeben. Ich befürchte nämlich, dass der Blick nach hinten bewirkt, dass wir vor eine Wand laufen.

Es ist ein bisschen wie bei einem Streit im Kindergarten: Immer hat der andere angefangen und damit auch die Schuld und wie es zum Status quo gekommen ist, kann hinterher keiner mehr richtig sagen. Das erscheint mir alles andere als zielführend. Eine solche Aufarbeitung ist nach hinten gewandte Mittelalterexegese, bei der alle glauben, recht zu haben.

Lassen Sie uns deshalb nach vorne schauen und einen Weg finden, eine echte Kooperation auf Augenhöhe zu finden ohne gegenseitige Erpressung. Ich freue mich, dass die Kirche, die EKD eigentlich, ihre Gesprächsbereitschaft erklärt hat und ihre Bereitschaft die Verträge abzulösen.

Lassen Sie mich in puncto "zeitgemäß" noch etwas anfügen, was aus meiner Sicht auch auf den Tisch muss: Muslima, geschiedene Männer, Homosexuelle in kirchlichen Einrichtungen. Abtreibungen in christlichen Krankenhäusern, das Recht auf Arbeitnehmervertretung und Arbeitskampf - Die Verweigerung dieser Rechte passt ebenfalls nicht in die heutige Zeit. Es ist an der Zeit, dass wir eine moderne Ablösung der alten Verträge schaffen.

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