Die Wachsamkeit darf nie nachlassen

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 15 – Berichtsantrag zum Gedenkstättenkonzept der Landesregierung

Dazu sagt die kulturpolitische Sprecherin

der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen,Marlies Fritzen:

Die Wachsamkeit darf nie nachlassen

In diesem Jahr jährt sich der Beginn des 1. Weltkrieges zum 100. Mal, 2015 ist das Ende des 2. Weltkrieges 70 Jahre her.

Erst vor 25 Jahren wurde die deutsche Teilung als Folge dieses Krieges überwunden. Die Erinnerung an diese Daten unserer Geschichte, ermahnt uns als Deutsche in besonderer Weise, zu einer Politik der Versöhnung und der Bewahrung des Friedens, gingen doch beide Kriege von deutscher Seite aus.

Mit den unvergleichlichen Verbrechen der Nationalsozialisten haben sich Deutsche eine besonders schwere Schuld aufgeladen. Die Verantwortung, dass sich diese Verbrechen nicht wiederholen, tragen wir alle auch heute noch.

„Es geht nicht darum, Vergangenheit zu bewältigen. Das kann man gar nicht. Sie lässt sich ja nicht nachträglich ändern oder ungeschehen machen. Wer aber vor der Vergangenheit die Augen verschließt, wird blind für die Gegenwart. Wer sich der Unmenschlichkeit nicht erinnern will, der wird wieder anfällig für neue Ansteckungsgefahren“, so Richard von Weizsäcker in seiner bedeutenden Rede zum 40. Jahrestag der Befreiung am 8. Mai 1985.

In Schleswig-Holstein wurden die Augen vor der Vergangenheit lange sehr verschlossen. Ausgerechnet hier, wo die NSDAP schon in den zwanziger Jahren überdurchschnittliche Wahlergebnisse verzeichnete. Wo schon im Frühjahr 1933 KommunistInnen und SozialdemokratInnen, aber auch Homosexuelle und Zeugen Jehovas interniert wurden. Wo in Außenlagern des Konzentrationslagers Neuengamme ZwangsarbeiterInnen unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten und viele von ihnen starben. Wo KZ-InsassInnen nach qualvollem Todesmarsch auf der Cap Arcona bombardiert und versenkt wurden.

Hier wurde ein NSDAP-Mitglied „Sonderbeauftragter für Entnazifizierung“. Hier bildeten bis auf Innenminister Pagel von der CDU lauter ehemalige Nazis das Kabinett Bartram, das dann quasi folgerichtig bereits 1950 die von den Alliierten vorgeschriebene Entnazifizierung beendete.

Hier fand das Gedenken lange keinen Platz und diejenigen, die die Augen nicht mehr verschließen wollten, die sich in Arbeitskreisen zusammen fanden und die Orte kennzeichnen wollten, an denen NationalsozialistInnen und ihre Mitläufer unheilvoll wirkten, wurden boykottiert und als Nestbeschmutzer angefeindet.

Erst mit der Gründung der Bürgerstiftung Schleswig-Holsteinische Gedenkstätten 2002 kam breite Unterstützung aus dem politischen Raum. Dennoch blieb die Landesförderung mit jährlich mageren 40.000 und in den Jahren 2011 und 2012 dann 55.000 Euro, nicht viel mehr als ein Anerkennungsbeitrag.

Die Küstenkoalition hat diese Förderung auf jetzt 240.000 Euro erhöht. Die Ministerin lädt regelmäßig zu einem runden Tisch, um ein Gesamtkonzept für die Gedenkstättenarbeit im Land zu entwickeln. Erstmals wurden Förderanträge für Bundesmittel gestellt und erstmals erhalten wir vom Bund finanzielle Unterstützung. 500.000 Euro sind angesichts der bisherigen jährlichen Landesförderung richtig viel Geld.

Auch wenn das „Projekt Neulandhalle“, so wie es konzipiert war, nicht unterstützt wird, hat die Gedenkstättenarbeit dadurch einen kräftigen Schub erfahren. Jetzt müssen wir weiter denken. Jetzt müssen Kirche, Land und Bürgerstiftung gemeinsam überlegen, wie die Neulandhalle in ein zukünftiges Gedenkstättenkonzept eingepasst werden kann. Ein Gedanke wäre auch die Weiterentwicklung der Bürgerstiftung in eine öffentlich-rechtliche Stiftung, die dann breit getragen wird.

Nur wer sich erinnern kann und erinnert wird, zu welch Grausamkeiten Menschen fähig sind, ist wachsam.

Und diese Wachsamkeit darf nie nachlassen, ist angesichts erneuter Aktivitäten von Neo-Nazis in unserem Land ganz besonders notwendig.

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