In der Landtagssitzung am 24.01.2013 habe ich mir einen Ordnungsruf vom Landtagspräsidenten Klaus Schlie eingefangen.
Der Grund? In meiner Rede zum Landesprogramm gegen Rechtsextremismus habe ich es gewagt, böse Politikersprüche während der Asyldebatte der 90er Jahre in einen wegbereitenden Zusammenhang mit den Brandanschlägen in Mölln zu bringen. So hatte z.B. Edmund Stoiber (CSU) von der Gefahr einer „durchmischten und durchrassten Gesellschaft“ gesprochen, wenn man dem ungehinderten Zugang von Asylbewerbern keinen Riegel vorschiebe.
Ich hatte darauf hingewiesen, dass auch die beiden Attentäter von Mölln erklärt hatten, sie hätten mit ihren Taten ein Zeichen gegen die „Asylanten“ setzen wollen. Beide waren übrigens in Rostock-Lichtenhagen dabei gewesen und hatten sich in den Monaten vor den Anschlägen in Mölln an Angriffen mit Brandflaschen auf Asylbewerberheime in Mecklenburg-Vorpommern und Schleswig-Holstein beteiligt.
Gegen den Ordnungsruf habe ich am nächsten Tag Einspruch nach der Geschäftsordnung eingelegt mit der Begründung, mein Recht auf freie Meinungsäußerung und meine Stellung als frei gewählter Abgeordneter sei verletzt worden. Der Landtagspräsident hätte meinem Einspruch stattgeben können, was er aber nicht tat. Über die Berechtigung des Ordnungsrufs wird also in der nächsten Landtagssitzung ohne Aussprache abgestimmt.
Das soll am kommenden Mittwoch stattfinden. Das Verfahren hat allerdings eine Dynamik angenommen, mit der ich nicht gerechnet habe. Aus den Fraktionen von SPD und SSW kommt das Signal, dass man mich in der Abstimmung unterstützen wird. Die CDU wird darauf beharren, dass ich mit dem Vorwurf, verdiente Parlamentarier wie Edmund Stoiber trügen eine Mitverantwortung für die Anschläge in Mölln, die parlamentarische Ordnung verletzt habe.
In der letzten Fraktionssitzung haben wir darüber diskutiert, ob es richtig ist, mit meiner Aufsässigkeit gegen den Ordnungsruf die in der letzten Landtagssitzung ohnehin arg strapazierte Stimmung zwischen Regierungslager und Opposition noch mehr aufzuheizen. Die Hau-Ruck-Änderung des Sparkassengesetztes im Verlauf einer Landtagssitzung hat uns die Opposition übel genommen. Das Argument, die Koalitionsparteien würden jetzt mit ihrer Parlamentsmehrheit einen missliebigen Ordnungsruf einfach „wegstimmen“ und damit auch die Autorität und Stellung des Landtagspräsidiums untergraben, ist daher ernst zu nehmen.
Letztlich haben wir uns in einer sehr solidarisch geführten Diskussion doch dazu entschlossen, den Einspruch gegen den Ordnungsruf nicht zurückzunehmen. Denn es geht nicht darum, einfach nur Macht zu demonstrieren, um eine eigentlich nebensächliche Einzelentscheidung des Landtagspräsidenten Klaus Schlie aufzuheben.
Die Rolle der maßgeblich von der CDU/CSU betriebenen Kampagne zur faktischen Abschaffung des Asylrechts nach Art. 16 Grundgesetz in den frühen 90er Jahren und ihre Auswirkung auf das Erstarken einer äußerst gewaltbereiten rechtsradikalen Szene sowohl in den neuen Bundesländern als auch in Westdeutschland ist ein Thema, das wie ein dunkler Schatten auf der neueren Geschichte der CDU/CSU liegt. Zu erinnern ist auch daran, dass die CDU auch in den folgenden Jahren immer wieder dazu tendierte, die „Ausländerkarte“ zu ziehen, wenn ihre Wahlchancen wackelig standen. Man denke nur an die Koch’sche Einbürgerungsdiskussion in Hessen oder den Wahlslogan des Herrn Rüttgers in NRW: „Kinder, statt Inder“.
Aus diesem Grund berührt die Passage meiner Rede offenbar ein Tabu innerhalb der CDU, das angesprochen werden muss und darf, ohne dass man sich dafür einen Ordnungsruf einhandelt. Auch wenn mit dieser Ansprache die eigentlich wünschenswerte Einmütigkeit aller demokratischen Parteien in der Positionierung gegen Rechtsradikalismus in Schleswig-Holstein ein wenig eingetrübt wird, der Glaubwürdigkeit der CDU würde es gut tun, wenn sie sich der Diskussion um ihre Rolle und Verantwortung in der Asyldebatte endlich stellen würde.
Fraktion SH


Kommentare
Hallo Burkhard, dieser
Burkhard Peters zieht
Der Diskussion täte es sicher