Schleswig-Holstein zu Besuch in Israel

Der Ältestenrat des Schleswig-Holsteinischen Landtages ist am Sonntag zu seinem ersten Auslandsbesuch seit zehn Jahren aufgebrochen. Ziel der Reise sind Israel und die palästinensischen Gebiete. Für die Grüne Landestagsfraktion nehmen die Fraktionsvorsitzende Eka von Kalben und der Vizelandtagspräsident Rasmus Andresen an der Reise teil. Neben einem Besuch der Knesset - dem Sitz des israelischen Parlamentes - und einer Kranzniederlegung in der Holocaust-Gedenkstätte Yad Vashem, stehen Begegnungen mit Vertreter*innen aus Politik, Nichtregierungsorganisationen, Wirtschaft, Bildung und Forschung auf dem Programm. Was in den nächsten Tagen auf der Reise passiert, berichtet euch Eka von Kalben täglich an dieser Stelle. In unserer Instagram-Story berichtet Rasmus Andresen über die Reise.

Montag, 26.11.2018

Auf dem heutigen Tagesprogramm der schleswig-holsteinischen Delegation stand ein Besuch der Deutsch-Israelischen Handelskammer in Tel Aviv. Mit seinen vielen Start Ups gilt Tel Aviv als Silicon Wadi. Damit knüpfte der Besuch genau an die San Francisco Reise der schleswig-holsteinischen Wirtschaftsdelegation zur Eröffnung des Northern Germany Innovation Office im August an. Wie auch in Deutschland geht es momentan in der israelischen Wirtschaft häufig um die Frage, wie Israel in der neuen digitalisierten Wirtschaftswelt mithalten kann. Interessant ist, warum genau diese Verknüpfung von Wirtschaft und Digitalisierung gut funktioniert. Eine Antwort auf diese Frage ist der Erfindungsreichtum der Menschen. Den braucht man, um in einem Land mit sehr geringen Ressourcen Herausforderungen meistern zu können. Wenn man beispielsweise ein Land mit wenig Wasser begrünen möchte, ist ein ‚geht nicht‘ keine Option. Auch die enge Kooperation zwischen Wirtschaft, Militär, Wissenschaft und Regierung wird als Grund angesehen, dass Digitalisierung und Wirtschaft Hand in Hand gehen.

Im Gespräch mit der Wirtschaftskammer wurde auch der Mut zum Risiko herausgestellt, den man in einem unsicheren Leben entwickelt. Im Gegensatz zu Deutschland, gibt es in Israel eine ausgeprägte Kultur des Scheiterns. Scheitern gehört zum Leben dazu und wird akzeptiert. Ein Unternehmen, das schon einmal gescheitert ist, hat sogar höhere Chancen Kapital zu erhalten als andere. Wer Fehler macht, sammelt gleichzeitig Erfahrungen und wird denselben Fehler nicht noch einmal begehen, so der Gedanke. In der Delegation entspann sich daran eine Diskussion um Noten und Bildungspolitik, die am Abend in gemütlicher Runde fortgesetzt wurde.

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Im Konsulat wurden die Tagestermine gemeinsam vorbereitet.

Dienstag, 27.11.2018

Nach dem Besuch der Hebräischen Universität Jerusalem, bei dem wir uns bei einem Gespräch mit dem Präsidium und deutschen Studierenden über die israelische Wissenschafts- und Bildungspolitik austauschen konnten, stand der Besuch der Denkfabrik „Israel Democracy Institute“ auf dem Programm. Thema dort waren Konzepte zur Steigerung der Wahlbeteiligung in Israel – ein Thema, dass uns auch in Schleswig-Holstein bewegt.

Der Abschluss des gestrigen Tages fand in einem Benediktinerkloster statt, das über dem Haus Marias errichtet worden sein soll. Vom Kloster aus hatten wir einen wunderbaren Rundblick auf die Stadt Jerusalem. In der Gruppe entspann sich eine rege Diskussion über Religion und die Bedeutung religiöser Geschichten. Jerusalem ist gespickt von Geschichte und Geschichten – leider auch mit den daraus resultierenden gegenwärtigen Ansprüchen. Dabei haben die großen rivalisierenden Religionen alle ihren Ursprung in der Geschichte Abrahams. Und alle stehen sie für Toleranz.

Schön, dass es dennoch immer wieder Beispiel für ein funktionierendes Miteinander gibt: Dem Auftritt eines christlichen und eines muslimischen Jugendchors, lauschten neben unserer Delegation viele Mitglieder der jüdischen Bevölkerung Jerusalems.

Mitglieder des Ältestenrates auf der Besuchertribüne des israelischen Parlaments, der Knesset. Foto: Landtag, Vivien Albers

Mittwoch, 28.11.2018

Heute war der bisher bedrückendste Tag in Israel. Wir besuchten die Gedenkstätte Yad Vashem. Der Besuch ging unter die Haut und es fällt mir schwer Worte für die schrecklichen Taten der Nazis zu finden. Auf vielen Bildschirmen erzählten Überlebende der Shoa von den Grausamkeiten, die sie erlebt hatten. Immer wieder wurde deutlich, dass es den Nazis nicht nur um die Vertreibung und Vernichtung, sondern auch um die Erniedrigung der Juden ging. Der Besuch führte uns allen die erschreckende Beweise vor Augen, wie viele Menschen am Judenhass, angestachelt durch die furchtbare Propaganda des Regimes, beteiligt waren.

 Besonders schrecklich ist der von den Nazis gedrehte Propagandafilm über die Theresienstadt, der die Verbrechen gegen die Juden verschleierte und nichts mit der Wirklichkeit in den Konzentrationslagern zu tun hatte.

Die Tatsache, dass wir kurz vor unserem Besuch der Gedenkstätte Yad Vashem ein Artikel in der Presse über die AfD Abgeordnete Doris von Seyn-Wittgenstein lesen mussten, der ihre Nähe zum Rechtsextremismus schilderte, ist besonders bedrückend und erschreckend und verdeutlichte umso mehr die Wichtigkeit unseres heutigen Besuchs in der Gedenkstätte Yad Vashem und des Erinnerns an die schrecklichen Taten des Nazi-Regimes.

Mit diesen bedrückenden Eindrückenden ging es nach dem Besuch weiter zu Gesprächen zum Jugendaustausch und auch zum Besuch des israelischen Parlamentes, der Knesset.

Nach einer Kranzniederlegung gedenkt Landtagspräsident Klaus Schlie den Toten des Völkermordes an den Juden in der Gedenkhalle des Holocaust-Museums Yad Vashem.

Foto: Landtag, Vivien Albers

Donnerstag, 29.11.2018

Heute startete der Tag mit einer Führung durch die Altstadt Jerusalems. Dabei haben wir die Klagemauer, die muslimischen Heiligtümer auf dem Tempelberg und die christliche Grabeskirche besucht. Bei unseren heutigen Terminen war der religiöse Konflikt zwischen den verschiedenen Parteien ständig präsent. Die Gefahr durch den Konflikt ist mittlerweile so groß, dass die Heiligtümer auf dem Tempelberg für Tourist*innen aus Sicherheitsgründen geschlossen werden mussten.

Beeindrucken war der Besuch des palästinensischen Gebietes Ramallah und das Gespräch mit einem Mitglied des PLO-Exekutivkomitees. In der Region wird alles getan, um den Menschen eine gewisse Normalität zu ermöglichen. Das Bildungsministerium in Ramallah versucht vor allem den jungen Menschen eine Zukunft zu ermöglichen. Die grassierende Perspektivlosigkeit in diesem Gebiet erschwert jedoch ein friedliches Zusammenleben.

An unserem ersten Tag in Israel wurden uns auch Projekte vorgestellt, die die Verständigungen und das gegenseitige Verständnis zwischen Israelis und Palästinenser*innen verbessern sollen. In Anbetracht der großen Herausforderungen wirken diese Projekte winzig, aber sie sind umso wichtiger, um ein gegenseitigen Verstehen zu ermöglichen.

Ich glaube, der Schlüssel für einen friedvollen Umgang in der Region ist, die Jugend in vielen Projekten zusammenzuführen. Damit sich Israelis und Palästinenser*innen austauschen und kennenlernen können. Während meiner Religionstour durch Schleswig-Holstein hat mir ein Religionslehrer der Herrendeichschule gesagt: „Es schadet keinem, voneinander zu wissen." Eine sehr schöne Sichtweise, die, wie ich finde, auch hier passt. Nur wenn man sich gegenseitig besser kennenlernt, können Vorurteile auf beiden Seiten abgebaut und Verständnis für die jeweils andere Seite aufgebaut werden.

Auch ein Besuch des PLO-Exekutivkomitee war Teil der Reise.

Freitag, 30.11.2018

Der letzte Tag führte uns in das Kibbutz Lotan. Eine Gemeinschaft, die sich bemüht, mitten in der Wüste nachhaltig zu wirtschaften. Ob allerdings das Halten von 300 Kühen und Rindern in der Wüste überhaupt nachhaltig und tierfreundlich sein kann, könnte man zumindest mal infrage stellen.

Und auch das Verbauen von alten Autoreifen in Lehmhütten und Spielzeuggeräten könnte im Sinne der Nachhaltigkeit für nachfolgende Generationen zum Problem werden, wenn man diese Bauart zum Prinzip erhebt.

Trotzdem ist dieses Gebiet etwas Besonderes, denn die Menschen haben hier die Möglichkeit, landwirtschaftliche Kurse zu belegen. Dies dient dem Zweck, auch für andere Regionen Landwirtschaft in der Wüste zu ermöglichen. Wir wurden in diesem Kibbuz sehr warmherzig aufgenommen und durften an einem Gottesdienst zum Sabbat teilnehmen, der sehr fröhlich und emotional war.

Das Kibutz ist insgesamt sehr fortschrittlich und friedensorientiert ausgerichtet.Während des Gottesdienstes wurde ein Sohn zum dreijährigen Militärdienst verabschiedet. Im Mittelpunkt stand das Gebet für seine heile Rückkehr aber auch dafür, dass er sich seine Menschlichkeit bewahren solle. Das fand ich sehr schön.

Im Anschluss wurde gut gegessen und sehr ausgelassen getanzt. Ein wunderbarer, bewegter Abschluss einer insgesamt sehr bewegenden Reise.

 

Grüne Partei SH
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