Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 45B – Frauenrechte stärken - Wir stehen solidarisch an der Seite der Demonstrantinnen und Demonstranten im Iran und weltweit
Dazu sagt die frauen- und fluchtpolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Catharina Nies:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
sehr geehrte Gäste,
sehr geehrte Kolleg*innen,
am Mittwoch demonstrierten viele Frauen, Männer und Kinder hier vor dem Landeshaus in Erinnerung an eine junge Frau, die in Teheran vor zwei Wochen brutal getötet wurde. Mahsa Amini – ihr kurdischer Name ist Jina.
Am 13. September wurde sie von der „Gashte Ershad“, der Sittenpolizei in Teheran, brutal festgenommen, fällt dann ins Koma und stirbt drei Tage später am 16.9. an ihren schweren Verletzungen.
Augenzeug*innen berichten, wie sie von den Männern mit dem Kopf mehrmals gegen die Fensterscheiben des Autos geschlagen wurde, bevor sie sie hineinzerrten.
Sie war Iranerin und sie war Kurdin. Und sie war 22 Jahre alt, als sie verstarb. Jina war festgenommen worden, weil ihr Kopftuch ihre Haare nicht ausreichend bedeckte. Sie wurde getötet, weil ihr Kopftuch nicht richtig saß. Weil sie in der Öffentlichkeit nicht islamisch korrekt genug gekleidet war, wegen einer gesetzlichen Kleidervorschrift.
Jina starb, weil sie eine Frau war! Und sie ist kein Einzelfall.
Schikane, die Gewalt und die Tötung von Frauen aus scheinbar religiösen oder patriarchalen Gründen ist in Iran an der Tagesordnung. Und nicht erst seit zwei Wochen.
NGOs berichten von jährlich Millionen von Frauen, die angehalten und schikaniert werden – nur weil sie ihr Kopftuch, den Hijab, nicht nach Vorschrift tragen. Sie kommen deswegen ins Gefängnis, so wie 2019 Yasaman Aryani.
Es wird berichtet, dass das Regime nun den Einsatz von Gesichtserkennungssoftware zur Identifizierung von Frauen plant, um alle zu strafen, die in der Öffentlichkeit kein Kopftuch tragen oder zu viel Haar zeigen.
Ich möchte, dass diese frauenverachtende und strukturelle Gewalt international geächtet wird. Und ich möchte unsere Bundesaußenministerin und unsere Menschenrechtsbeauftragten in ihrer klaren Haltung gegen und Verurteilung der Gewalt an Frauen in Iran bestärken. Im Sinne einer feministischen Außenpolitik müssen Menschen- und insbesondere Frauenrechte konsequent eingefordert werden.
Um dem Druck zu verleihen, ist es richtig, dass die Bundesregierung sich auf EU-Ebene dafür einsetzt, Verantwortliche für die Gewalt der Sicherheitskräfte in Iran im Rahmen des EU-Sanktionsregimes zu listen.
Diese frauenverachtende, strukturelle Gewalt muss endlich als Fluchtgrund in Deutschland voll im Asylverfahren berücksichtigt wird.
Seit 2005 ist die geschlechtsspezifische Verfolgung in Deutschland als Asylgrund gesetzlich anerkannt. Aber in der Praxis der BAMF-Entscheidungen und auch in gerichtlichen Entscheidungen ist dies immer noch nicht vollständig angekommen. Die einstelligen Anerkennungsquoten machen das deutlich.
Keine Frau, kein Mädchen in Deutschland soll mehr Angst haben müssen, in den Iran zurückgeschickt zu werden. Für Frauen und für Männer ist das unzumutbar.
Und auch wenn es Stimmen gibt, die davon sprechen, dass es ja nur 25 Personen in diesem Jahr gewesen seien: Sie vergessen, dass über 10.000 Iraner*innen hier in Deutschland mit einer Duldung leben und permanent nicht wissen, ob sie die nächsten sein werden. Diesen Menschen müssen wir Sicherheit geben.
Deshalb ist es richtig, dass die Bundesaußenministerin nun veranlasst hat, dass der Lagebericht des Auswärtigen Amtes schnell und vorzeitig aktualisiert wird – als eine der Entscheidungsgrundlagen im Asylverfahren.
Und deshalb ist es richtig, dass wir hier heute im schleswig-holsteinischen Landtag einen bundesweiten Abschiebestopp aus Deutschland in den Iran fordern. Und wir fordern alle anderen Bundesländer auf, sich uns anzuschließen!
Wir schicken heute hier gemeinsam, aus Kiel, ein starkes Zeichen der Solidarität in Richtung Teheran: für Menschlichkeit und für die Einhaltung von Frauenrechten.
Eine junge Iranerin auf der Demonstration sagte mir: Es hätte genauso meine Schwester oder meine Mutter gewesen sein können – jede Frau aus meiner Familie hätte es treffen können. Jede Frau in Iran hätte es sein können.
Jinas Tod, dieser Femizid, darf nicht ohne Konsequenzen bleiben. Und er wird gerade beantwortet, von so vielen Iraner*innen überall auf der Welt und in vielen Städten in Iran. Sie antworten mit Protest, mit ihrer Stimme und wie Iraner*innen das nun mal tun: mit Gedichten.
Und sie zahlen mit Inhaftierung und viele auch mit ihrem Leben. Frauen und Männer werden einfach niedergeschossen. Die Proteste erreichen nun eine neue Dimension. Diesmal sind alle auf der Straße. Es demonstrieren quer durch die Gesellschaft alle Gruppen. Und es sind die größten Proteste seit Jahren.
Liebe Demonstrant*innen, wir trauern mit euch um eure Schwester Jina Amini, um Mahsa. Danke, für Eure Sichtbarkeit. Ihr werdet gehört.
Jin. Jian. Azadi. - Frauen. Leben. Freiheit!
Fraktion SH


