Sehr geehrte Präsidentin,
liebe Kolleg*innen,
„Wieso passiert das immer wieder? Müssen wir unser ganzes Leben in Angst verbringen, dass es zu jeder Zeit zu Gewalt gegen uns kommen kann?“
„Ehrlich gesagt, fühle ich mich nicht mehr sicher in der Öffentlichkeit.“
Das sind nur zwei kurze Zitate aus Foren und queeren Chatgruppen, die ich Ihnen an dieser Stelle beispielhaft nennen möchte. Derartige Nachrichten lese ich nicht erst seit der furchtbaren Tat aus der Nacht vom 4. auf den 5. November in Kiel, die Anlass der heutigen Debatte ist. Ich lese sie mittlerweile sehr regelmäßig – nicht zuletzt anlässlich des Totschlags an Malte C. am Rande des CSD Münster. Während der Mahnwache am Montag nach der Tat in Kiel habe ich große Solidarität erlebt – aber auch große Sorge um die eigene Sicherheit.
Queerfeindliche Gewalt ist Alltag in Deutschland, und sie nimmt zu. Dem müssen und werden wir uns entschlossen entgegenstellen. Deshalb begrüßen wir die Initiative der FDP ausdrücklich und freuen uns, dass wir den Antrag alle gemeinsam interfraktionell beschließen werden.
Für die Einordnung als queerfeindliche Gewalttat ist übrigens nicht die Identität der Opfer ausschlaggebend, sondern die der Täter. Wer beispielsweise Nagellack an einer männlichen Person als „schwul“ liest und sich dadurch provoziert fühlt, wird nicht freundlich nachfragen, ob dem wirklich so ist. Lassen Sie es mich ganz klar sagen: Nagellack, rosa Hemden, lange Haare und was ihnen noch an stereotypen Äußerlichkeiten einfallen mag, sind für alle da! Und sie rechtfertigen niemals Gewalt oder Diskriminierung!
Die Einrichtung der Zentralen Ansprechstelle LSBTIQ bei der Landespolizei war ein wichtiger Schritt. Sie leistet großartige Arbeit in der Vernetzung und der internen Sensibilisierung für queerfeindliche Gewalt. Wir sollten allerdings ebenfalls über eine unabhängige Monitoring-Stelle nachdenken, denn nicht für alle queere Menschen ist der vertrauensvolle Gang zur Zentralen Ansprechstelle LSBTIQ bei der Landespolizei möglich.
Ich möchte aber ausdrücklich sagen, dass es angesichts der Gewalttat in Kiel viel zu kurz gesprungen ist, nach harten Strafen für die Täter und dem Ausbau polizeilicher Strukturen zu rufen. Law & Order-Ansätze führen nicht zu einer offeneren, diskriminierungs- und gewaltfreieren Gesellschaft.
Wir haben gemeinsam mit der CDU im Koalitionsvertrag ausdrücklich vereinbart, den Landesaktionsplan (LAP) Echte Vielfalt strukturell und finanziell und in Zusammenarbeit mit Akteur*innen der Zivilgesellschaft weiterzuentwickeln:
Queere Lebensrealitäten müssen in der Schule und weiteren Bildungsangeboten ausreichend berücksichtigt und abgebildet werden – denn nichts ist wirksamer gegen Vorurteile, Ausgrenzung und in letzter Konsequenz auch Gewalt als eine frühzeitige Thematisierung der Verschiedenheit und gleichzeitiger Gleichwertigkeit eines jeden Menschen.
Beratungsangebote wollen wir in Stadt und Land verfügbar und erreichbar machen und dabei insbesondere trägerübergreifende Kooperationen fördern. Queer ist nicht gleich queer. Und ältere schwule Männer, die zu Zeiten des ehemaligen § 175 StGB aufgewachsen und heute vielleicht in einer Pflegeeinrichtung leben, benötigen andere Angebote als die jugendliche nicht-binäre Person, die vielleicht zur Schule geht oder eine Ausbildung macht.
Lassen Sie uns den vorliegenden Antrag also gemeinsam beschließen und ein klares Signal an alle queeren Menschen in Schleswig-Holstein senden: Ihr seid nicht allein! Wir stehen an Eurer Seite!
Fraktion SH


