Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 15 – Bericht zum Gutachten „Digitalisierung im Bildungssystem: Handlungsempfehlungen von der Kita bis zur Hochschule“ der Ständigen Wissenschaftlichen Kommission der Kultusminister*innenkonferenz
Dazu sagt der bildungspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Malte Krüger:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
wenn Schulen oder Universitäten Besuch aus dem Ausland bekommen, wird häufig nicht schlecht gestaunt. Dies liegt aber nicht an der guten Ausstattung. Man ist nicht selten überrascht, dass es immer noch nicht flächendeckend gute W-Lan-Verbindungen oder gute Computer gibt. Ich erinnere gerne daran, dass ich an dieser Stelle bereits von noch existierenden Overhead-Projektoren gesprochen habe. Auch diese werden mit nostalgischem Interesse bestaunt.
Das Bild Deutschlands als fortschrittliches und digitales Land ist weit gestreut, als Industrieland seien wir Spitzenreiter auf allen technischen und digitalen Ebenen. Eine Studie des European Center for Digital Competitiveness zeichnet aber ein anderes Bild: Auf dem vorletzten Platz rangiert Deutschland unter den G7-Ländern, und das zum zweiten Mal in Folge. Andere europäische Staaten haben im Vergleich in den letzten Jahren einen wesentlichen Fortschritt in der Digitalisierung erreichen können. Zwar rangiert Deutschland im europäischen Digitalisierungsgrad knapp über EU-Durchschnitt, dadurch allerdings auch nur im Mittelfeld.
Verstehen Sie mich nicht falsch: Deutschland hat erhebliche Erfolge und Verbesserungen erreichen können. Dennoch: Das Abschneiden im internationalen Vergleich kann und soll nicht Anspruch sein. Für uns in Schleswig-Holstein gilt dies besonders, bedenkt man, dass wir mit Dänemark einen Vorreiter im Bereich der Digitalisierung als Nachbarn haben.
Die Ständige Wissenschaftliche Kommission hat im September als unabhängiges, wissenschaftliches Beratungsgremium der Kultusminister*innenkonferenz das „Gutachten zur Digitalisierung im Bildungssystem“ vorgelegt. Es geht einen Schritt weiter als bisherige und nimmt die gesamte Bildungskette von der Kita bis zur Hochschule in den Fokus. Die Kommission gibt vierzehn Handlungsempfehlungen, die „in den kommenden Monaten und Jahren unternommen werden müssen, um erfolgreiche Lehr- und Lernprozesse in einer digitalisierten Welt zu ermöglichen“.
Die Ministerin hat in ihrem Bericht schon viel zu den Empfehlungen der Kommission gesagt, deshalb werde ich nicht nur noch auf ausgewählte Punkte eingehen.
Die Kommission empfiehlt unter anderem, „digitale Medienbildung als Bildungsziel in die Rahmen- und Orientierungspläne“ der Kitas aufzunehmen. Wir haben uns in den Koalitionsverhandlungen darauf verständigt, dass wir „gemeinsam mit den Kitas und unter wissenschaftlicher Begleitung die Bildungsstandards und -leitlinien [der Kitas] weiterentwickeln und verbindlicher gestalten“ wollen. Die Empfehlung wird die Landesregierung bei der Überarbeitung sicherlich berücksichtigen können.
Auch empfiehlt die Kommission, dass digitale Medienbildung in Aus- und Weiterbildung des pädagogischen Personals – und das zieht sich wie ein roter Faden von der Kita bis zur Hochschule – eine größere Rolle spielen muss. Dass die Ausbildung in diesem Punkt besser werden muss, ist ein Punkt, den ich aus eigener Erfahrung bestätigen kann.
Es ist zum einen die Medienbildung, also wie ich Kindern- und Jugendlichen Medien näherbringe, aber auch der Umgang von Lehrkräften mit digitalen Medien und der Einsatz im eigenen Unterricht. Bei letzterem habe ich in meinem eigenen Unterricht kaum von meinem Studium profitiert und ich weiß, dass es vielen Kolleg*innen so geht. Viele profitieren eher davon, dass sie mit digitalen Geräten aufgewachsen sind und sich selbst dafür interessieren. Das Studium muss hier noch mehr Anknüpfungspunkte bieten, damit ich meine mitgebrachten Kompetenzen weiterentwickeln kann. Damit ich das, was ich kann, für den Unterricht gewinnbringend einsetzen kann.
Weiterhin empfiehlt die Kommission die „Einführung eines (Pflicht-)Faches Informatik“. Auch darauf haben wir uns bereits in den Koalitionsverhandlungen verständigt. Und es ist richtig, dass wir diesen Weg einschlagen. Informatik wird fester Bestandteil des Stundenplans und es ist unsere Verantwortung, dass wir diesen Schritt zu einem Erfolg machen, von dem kommende Generationen profitieren.
Das Gutachten empfiehlt auch die dauerhafte Einrichtung länderübergreifender Zentren für digitale Bildung. Das ist eine super Idee. Lassen sie uns nicht auf den Bildungsföderalismus schimpfen, sondern lassen sie uns länderübergreifend denken und, um es im Bernd Buchholz-Sprech zu sagen: Eine Beschäftigungsdegression, oder wie ich es nennen würde, eine Föderalismusdegression vornehmen. Das heißt: Jedes Land braucht digitale Bildung, also können die Länder über solche Zentren auch gemeinsam profitieren. Nicht jedes Land muss das Rad neu erfinden.
Das Gutachten zeigt auf, dass gerade mit der Corona-Pandemie der Bedarf nach digitaler Lehre wesentlich gestiegen ist und auch im Präsenzunterricht eine wesentliche Rolle spielt oder spielen sollte. Denn natürlich soll Digitalisierung nicht bedeuten, dass Schüler*innen und Student*innen nur noch aus der Ferne unterrichtet werden. Digitale Lehre heißt auch Vielfalt im Methodeneinsatz, heißt digitale Infrastruktur vor Ort. Es gibt bei einigen die Forderung, dass es dann auch hybriden Unterricht geben muss. Ich halte das für einen sehr gewagten Ansatz. Mit den derzeitigen technischen Voraussetzungen würde es meistens eben daran scheitern. Und ganz wichtig: Die Ständige Wissenschaftliche Vertretung fordert es nicht mal annähernd. Ich verstehe den Wunsch, aber ich bin davon nicht überzeugt.
Ein Punkt, der fast schon untergeht bei den vielen Vorschlägen, ist, dass das Prüfungswesen weiterentwickelt werden soll. Schüler*innen schreiben ihre Klausuren meistens noch mit Füller oder Kugelschreiber. Zwar wird man viele Prüfungsleistungen auch immer noch mit Blatt und Stift bewältigen, aber zu einem digitalisierten Bildungssystem gehört auch, dass ich in einem ersten Schritt einige Prüfungen in digitaler Form ablegen kann. Das übt die Digitalisierung von Schüler*innen und schont die Rücken von Lehrkräften, die nicht unzählige Klausurhefte hin und hertragen müssen.
Wir wünschen uns bei der Analyse für Schleswig-Holstein einen pragmatischen Ansatz. Das Land soll Lösungen für den Bildungssektor anbieten, die einfach und unbürokratisch umgesetzt werden können. Das, was schnell umgesetzt werden kann, soll auch schnell umgesetzt werden. Mit Vernunft und guter Planung soll das Land im weiteren Verlauf digital zukunftssicher aufgestellt werden. Mit dem Gutachten erhalten wir schließlich einen umfangreichen Leitfaden für eine bessere digitale Bildung, den wir gezielt nutzen sollten.
Lassen Sie mich zum Schluss noch mal klar sagen: Wir wollen nicht, dass Schüler*innen, Studen*:innen und Angehörige des Bildungssystems abgehängt werden. Wir wollen nicht, dass sie im internationalen Vergleich schlecht dastehen. Digitale Transformation ist der Schlüssel für technologischen Fortschritt und Wachstum. Dabei spielt die Bildung eine zentrale Rolle. Ein digitalisiertes Bildungssystem bedeutet Fortschritt auf allen Ebenen, in Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik. Lassen Sie uns endlich den Overhead-Projektor oder die überforderte Lehrkraft am Beamer ein Relikt aus alten Zeiten sein.
Vielen Dank!
Fraktion SH


