Milliardenschwere Folgekosten unzureichender Bildung und leere öffentliche Kassen

Sind Bildungsinvestitionen in Zeiten knapper Kassen einfach nicht möglich oder überlebenswichtig?

Diese Frage stand im Mittelpunkt der Diskussionsveranstaltung, zu der die Grüne Landtagfraktion auf Initiative von Rasmus Andresen eingeladen hatte. Neben ExpertInnen aus Bildung, Wissenschaft und Politik beteiligte sich eine große Anzahl Interessierter an der lebhaften Diskussion im Kieler Legienhof.

Die Antwort von Prof. Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung, wird nach Ihrem Inputreferat schnell klar: überlebenswichtig! In ihrer Studie "Unzureichende Bildung: Folgekosten für die öffentlichen Haushalte" legt Sie Fakten auf den Tisch: 150.000 Jugendliche beginnen jährlich bundesweit ihr Erwerbsleben ohne Ausbildungsabschluss. Dadurch entstehen den öffentlichen Haushalten 1,5 Mrd. Euro Folgekosten pro Altersjahrgang. Bei dem Anteil der unzureichend gebildeten 25- bis 34-Jährigen liegen wir in Schleswig-Holstein mit 16% leicht über dem Bundesdurchschnitt. Pro Person ergeben sich daraus laut Allmendinger Folgekosten von 21.573 Euro. Dies sind monetäre Werte. Hinzu kommen gesellschaftliche Auswirkungen von unzureichender Bildung auf Gesundheit, Kriminalität und Lebenszufriedenheit. Außerdem gibt es einen positiven Zusammenhang zwischen Bildung und freiwilligem Engagement und gesellschaftlichem Zusammenhalt sowie zur politischen und wirtschaftlichen Stabilität des Landes. Diese ernüchternden Zahlen aus der Hauptstadt bilden die Basis der weiteren Diskussion.

 Prof. Jutta Allmendinger

Bildungsinvestitionen sind überlebenswichtig, so Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums in Berlin

Was ist also zu tun angesichts der fatalen wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen unzureichender Bildung?

Wir müssen in ein chancengerechtes Bildungssystem investieren - von der Kita bis zur Hochschule. Prof. Grözinger vom Internationalen Institut für Management an der Universität Flensburg sieht für Schleswig Holstein außer der Verbesserung der vorschulischen Erziehung die Erhöhung der Anzahl von Hochschulberechtigten als unerlässlich an. In der Schule müssen mehr Kinder in die Oberstufe und jedes Kind individuell und bestmöglich gefördert werden, unabhängig von sozialer und regionaler Herkunft. Eine Vergeudung des Potentials können wir uns auch auf Grund des demographischen Wandels nicht leisten. In Deutschland besuchen bisher nur 34% eines Jahrganges die Hochschule, der weltweite Durchschnitt liegt bei über der Hälfte. Für die Deckung des eigenen Bedarfes ist allein in Schleswig Holstein die Schaffung 10.000 zusätzlicher Studienplätze notwendig.

Publikum

Rund 100 ZuhörerInnen folgten interessiert der Diskussion

Das Problem ist klar, die Lösung auch, aber wie ist eine Finanzierung guter Bildung bei Schuldenbremse und leeren öffentlichen Kassen möglich?

Fraktionsvorsitzender Robert Habeck macht deutlich, dass Bildungspolitik für die Grünen ganz vorn steht. "Die Bereitschaft für Bildung Steuern zu zahlen ist hoch." Steuereinnahmen müssen eine ausreichende Bildung finanzieren. Das muss richtig kommuniziert werden, ansonsten erntet man mit der Forderung nach Erhöhung des Spitzensteuersatzes keine Begeisterung. Das Geld muss erlebbar in der Kita, Schule und Uni ankommen - das ist die ertragreichste Gesellschaftsinvestition, sobald wir Zeiträume betrachten, die über eine Legislaturperiode hinaus gehen. Aber es reicht nicht aus, auf den Bund zu hoffen. Auch im Land muss die Finanzverteilung gesichert sein. Durch den demographischen Wandel werden in Schleswig-Holstein bspw. in der kommenden Legislatur rund 1400 Lehrerstellen frei. Die Grünen fordern den Verbleib der freien Kapazitäten im System, sodass insbesondere "Problemstandorte" gefördert werden können.

Auch Studiengebühren wird es mit den Grünen nicht geben. Grade dieser Punkt führte allerdings zur kontroversen Diskussion. Grözinger schlägt ein Modell vor, nachdem Studiengebühren nachgelagert zurückgezahlt werden, wie es in Australien bereits existiert. Zu aufwendig und die Sorge der Studenten-Verschreckung bei einer "Campus-Maut" sind Habecks Gegenargumente.

Herrmann-Goerzinger

Moderatorin und TAZ-Redakteurin Ulrike Hermann mit Prof. Grözinger vom Internationalen Institut für Management an der Universität Flensburg

Insgesamt war die Veranstaltung sehr interessant und regte zum nach- und weiterdenken an. Viele wichtige und teilweise auch bekannte Erkenntnisse wurden auf den Punkt gebracht und mit klaren Fakten hinterlegt. Unzureichende Bildung führt zu extremen Folgekosten, die sich weder die öffentlichen Kassen noch unsere Gesellschaft leisten können. Darum brauchen wir eine konsequente Bildungspolitik, die alle mitnimmt - von Anfang an. Im Landeshaushalt müssen dafür klare Prioritäten gesetzt werden. Das erfordert Mut und kluge Köpfe, die langfristig und nachhaltig handeln.

Thema: 

AbgeordneteR: 

kein Egebniss

Grüne Partei SH
Anträge in Leichter Sprache