Anerkennung und Respekt für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte

Es gilt das gesprochene Wort!

 

TOP 5 – Änderung des Integrations- und Teilhabegesetzes Schleswig-Holstein

 

Dazu sagt die migrationspolitische Sprecherin der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Catharina Nies:

 

 

Sehr geehrte Frau Präsidentin,

sehr geehrte Abgeordnete,

 

es ist doch nur ein „Scheingesetz“ – das, oder ähnliches wurde dem Integrations- und Teilhabegesetz Schleswig-Holstein in der Vergangenheit von verschiedenen Seiten vorgeworfen. Und unser Anspruch in dieser Legislaturperiode sollte sein, diesem Eindruck etwas Handfestes entgegenzusetzen.

 

Auch ich habe im Entstehungsprozess des Gesetzes, damals noch als Sachverständige im Innen- und Rechtsausschuss, sehr viel mehr gefordert und kritische Stellungnahmen abgegeben. Weil ich daran glaube, dass es uns als Bundesland gelingen kann, Vorreiterin zu sein, mutiger zu sein. Vorzumachen, was es bedeutet, eine moderne Zuwanderungsverwaltung zu entwickeln, die jedem neu zugewanderten oder geflohenen Menschen mit Augenhöhe, Auskunftsfreude und Fairness begegnet. Weil ich daran glaube, dass es wichtig ist, Anerkennung und Respekt für Menschen mit Zuwanderungsgeschichte auch in Gesetzestexten zum Ausdruck zu bringen. Und weil ich hoffe, dass es uns langfristig gelingen wird, uns tatsächlich als vielfältige Gesellschaft zu begreifen, mit individuellen Lebensentwürfen und Biografien. 

 

Das Gesetz dient dem „Zweck, klare Integrationsziele festzulegen und die für die Erreichung dieser Ziele notwendigen Maßnahmen und Instrumente zu regeln“. Genau daran mangelt es aber momentan noch. Es ist noch zu wenig mit konkreten Umsetzungspunkten unterlegt. Zu wenig messbar. Und das ist ein Punkt, in dem ich dem SSW zustimme. Hier können wir nachlegen.

 

Und es fehlen große Bereiche in dem Gesetz, die in einem direkten Zusammenhang mit dem Gelingen von Teilhabe und Partizipation stehen. Darauf weisen wir in unserem Koalitionsvertrag auch selbst schon hin. Es fehlt das Thema Zugang zum Gesundheitssystem und zu psychiatrischer oder psychosomatischer Versorgung. Hier eingeschlossen auch die Frage eines landesweit einheitlichen Umgangs mit Dolmetschenden-Leistung. Und es fehlt eine Berücksichtigung der spezifischen Bedarfe besonders vulnerabler Personengruppen. Hier denke ich besonders an Frauen und Kinder, aber eben auch Menschen, die stark traumatisierende Erfahrungen vor und während der Flucht gemacht haben oder die eine Behinderung haben.

 

Ein gewisser Zustand von Sicherheit und Grundversorgung muss erst einmal erreicht sein, bevor ein Mensch beginnen kann, sich aktiv in eine Gesellschaft einzubringen. Außerdem sollten wir unsere konkreten Ziele zur interkulturellen Öffnung gesetzlich verankern. Und die Bedeutung von Migrant*innenselbstorganisationen stärker betonen. Und wir können unser Landesintegrations- und Teilhabegesetz nutzen,  um elementare Strukturen in der Migrationsarbeit nachhaltig abzusichern, wie beispielsweise die Migrationssozialberatung oder eine unabhängige Asylverfahrensberatung.

 

Deshalb danke ich dem SSW für diesen ersten Aufschlag, in dem ich viele gute Vorschläge lese. Ein paar weitere Ideen habe ich eben angesprochen. Ich glaube, es macht Sinn, dass wir uns im Innen- und Rechtsausschuss für die Weiterentwicklung des Gesetzes ausreichend Zeit nehmen und gemeinsam überlegen, was es künftig transportieren und ganz konkret bewirken soll.

 

Zum zweiten bin ich überzeugt, dass wir schon jetzt sehr viel stärker auf die Umsetzung schauen sollten. Denn es stehen wichtige Punkte schon drin: dass Schleswig-Holstein für eine integrationsorientierten Politik steht, dass Menschen mit Zuwanderungsgeschichte die gleichen Chancen in unserem Bildungssystem haben sollen, dass wir einen Sprachzugang ab Ankunft wollen und dass der Zugang zu ausländerrechtlicher Information gewährleistet und analog wie digital ausgebaut werden soll. Allein diese Passagen mit Leben zu füllen, würde den Alltag vieler Menschen und auch die Interaktion mit Behörden stark verändern.

 

Viele Menschen erleben die Kommunikation in unserem Behördendschungel als diskriminierend und sehr belastend - im Asylverfahren, bei Antragsstellungen zu Arbeit und Ausbildung, aber auch bei ihren Fragen zu bleiberechtlichen Möglichkeiten. Aus diesem Grund haben wir im Koalitionsvertrag deutlich gemacht, dass wir das Recht auf Information in die Praxis umsetzen wollen und eine umfassende Beratung der Geflüchteten mit Blick auf ihre Aufenthaltsperspektiven sicherstellen.

 

Dazu brauchen wir aus meiner Sicht mehr Personalressourcen für die Zuwanderungsverwaltung vor Ort und ein landesweites digitales Antragstool. Ein Instrument, mit dem alle kommunalen Zuwanderungsbehörden arbeiten können und das im Sinne des Onlinezugangsgesetzes echte Verbesserungen sowohl für die Mitarbeiter*innen in den Ausländer- und Zuwanderungsbehörden als auch für die zu beratenden Menschen bringen würde.

 

Unsere Zuwanderungsverwaltung hat sich an vielen Stellen in den letzten Jahren positiv gewandelt. Und diesen Wandel müssen wir weiter gehen. In diesem Sinne sollten wir unser Integrations- und Teilhabegesetz mit Leben füllen.

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