Tafeln helfen dort, wo unser System versagt

Es gilt das gesprochene Wort!

 

TOP 32 – Unterstützung des Landes für die Tafeln

 

Dazu sagt die Abgeordnete der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, Eka von Kalben:

 

 

Frau Präsidentin,

meine Damen und Herren,

 

der Landtag dankt den Tafeln in Schleswig-Holstein für ihre großartige Arbeit. Sie leisten ehrenamtlich einen sehr wichtigen Beitrag, um bedürftige Bürger*innen mit Lebensmitteln zur versorgen.

 

Menschen, die von Hartz IV oder Grundsicherung leben, Menschen mit kleinem Einkommen oder niedriger Rente, Menschen, die als Geflüchtete Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz erhalten: sie alle kommen mit ihrem Einkommen nicht über den Monat.

 

Auch bei sparsamer Lebensführung und geplantem Einkaufsverhalten reichen die Regelsätze nicht, um eine ausreichende und vor allem eine gesunde Ernährung sicher zu stellen. Das darf so nicht sein.

 

Der einzig richtige Weg ist deshalb, die Sozialleistungen anzuheben und an die realen Kosten und Bedarfe anzupassen. Die Regelsätze müssen das soziokulturelle Existenzminimum abbilden. Dazu gibt es höchstrichterliche Urteile.

 

Aus der Einkommens- und Verbrauchsstichprobe zur Ermittlung der Regelsätze dürfen nicht willkürlich Positionen gestrichen und als Bezugsgruppe nur die untersten Einkommen herangezogen werden. Das rechnet die Regelätze künstlich klein und entspricht nicht dem realen Bedarf. Das muss sich ändern und da setzen wir mit dem Bürger*innengeld einen ersten Schritt auf einem längeren Weg. Menschen, die Transfereinkommen erhalten, sind keine Menschen zweiter Klasse. Sie haben die gleichen Rechte wie alle anderen auch.

 

Die Arbeit der Tafeln steht aktuell vor großen Herausforderungen – nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern bundesweit. Es kommen immer mehr Hilfesuchende, Familien, ältere Menschen, Singles. Sie kommen allein nicht mehr klar. Zusätzlich steigen die Kosten für den Unterhalt einer Tafel: Miete, Energiekosten, Lager, Kühlung, Fahrtkosten.

 

Viele Tafeln müssen einen Aufnahmestopp verhängen. Die Lebensmittel, die sie bekommen, reichen nicht mehr aus, um neue Menschen aufzunehmen. Die Lebensmittelspenden werden eher weniger als mehr.

 

Supermärkte verbessern ihre Logistik und bieten Produkte kurz vor dem Mindesthaltbarkeitsdatum vergünstigt an. Schlussendlich bleibt es weiterhin vorteilhafter für Supermärkte und Discounter, übrig gebliebene Nahrungsmittel als Verlust abzuschreiben, anstatt sie für „nada“ zu spenden. Im Netz findet man Angebote wie „to good to go“, wo Kund*innen für sehr wenig Geld abends eine Restetüte abholen können. Das ist keine verkehrte Sache, aber es führt eben auch zu weniger Spenden.

 

Einige Tafeln berichten, dass die Zahl der ehrenamtlich helfenden Menschen nicht in dem Umfang steigt, wie der Bedarf es erfordert. Ein zusätzliches Problem. Wir haben aktuell viele gesellschaftliche Baustellen: Armut, Flucht, Klima und die Langzeitfolgen von Corona auf junge und alte Menschen, auf Familien, Vereine, Verbände und Natur, um nur einige zu nennen. In all diesen Bereich brauchen wir ehrenamtliches Engagement.

 

Auch wenn die Quote der Menschen, die sich freiwillig ehrenamtlich engagieren, groß ist, so reicht sie doch nicht aus, um all das, was wichtig wäre, abzudecken. Deshalb unterstützt das Land ehrenamtliche Arbeit und freiwilliges Engagement auf vielen Ebenen und in unterschiedlichsten Bereichen.

 

Sozialministerin Aminata Touré hat die Engpässe bei den Tafeln erkannt. Sie steht im engen Austausch mit ihnen und vielen weiteren Organisationen im sozialen Bereich. Zeitnah wurden im Sommer dieses Jahres 500.000 Euro für die Unterstützung der Tafeln in der aktuellen Notsituation bereitgestellt. Eine unbürokratische Förderrichtline ermöglicht ein formloses Antragsverfahren.

 

Das war eine richtige Maßnahme und sie kam zum richtigen Zeitpunkt. Wir begrüßen dies ausdrücklich. Und wir finden es richtig, wenn sich der Landtag dafür ausspricht, die Tafeln in Schleswig-Holstein zu unterstützen.

 

Wir wollen aber nicht die Tafeln als Teil des regulären Sozialsystem verankern. Und sie deshalb auch nicht institutionell fördern. Und das wollen auch die Tafeln nicht. Sie sind eine Nothilfe. Sie helfen unbürokratisch und ehrenamtlich dort, wo unser System versagt. Und es ist unsere Aufgabe, dafür zu sorgen, dass unsere Ressourcen so verteilt sind, dass Menschen nicht auf die Fürsorge angewiesen sind.

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