Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 26 – Mathe stark machen
Dazu sagt der bildungspolitische Sprecher der Landtagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen,
Malte Krüger:
Sehr geehrte Frau Präsidentin,
Tina und Esther sammeln Fußball-Bilder. Zusammen haben sie 25 Bilder. Tina hat 7 Bilder mehr als Esther. Wie viele Bilder hat Esther?
Im Idealfall können alle Schüler*innen am Ende der Grundschule diese Frage beantworten. Dann würden sie die höchste Kompetenzstufe, den sogenannten Optimalstandard, im IQB-Bildungstrend diagnostiziert bekommen.
Leider verfehlen 22 Prozent der Schüler*innen in Schleswig-Holstein und bundesweit den Mindeststandard in Mathe. Schüler*innen können dann die Frage zum Erreichen des Mindeststandard, nämlich wie viele Minuten zwischen 10:50 Uhr und 11:30 Uhr liegen, nicht beantworten. Das sind Ergebnisse der IQB-Studie und da hilft es nicht, drumherum zu reden. Und da bin ich froh, dass die Landesregierung das auch nicht tut und diese Ergebnisse ernst nimmt.
Liebe Opposition, Ihr Antrag heißt „Mathe stark machen“. In ihrem Antragstext fordern sie grob zusammengefasst fünf Dinge, die sich aber vor allem auf Mathe fokussieren. Wenngleich Sie in Ihrer Begründung auch auf Deutsch eingehen.
Die Forderungen gehen meiner Auffassung nach an den Ergebnissen der IQB-Studie vorbei. Die IQB-Studie konzentriert sich nicht ausschließlich auf Mathematik. Die Studie nimmt vielmehr die Basiskompetenzen Lesen, Schreiben, Zuhören und Rechnen in den Blick. Darum geht es: Kompetenzen. Die Schüler*innen haben Anspruch auf einen starken Mathe- und Deutschunterricht. Aber wieso wollen Sie sie dann nur Mathe stark machen? Wir müssen die Basiskompetenzen insgesamt stark machen.
Noch weniger verstehe ich ihren Antrag vor dem Hintergrund, dass wir erst vor zehn Tagen einstimmig im Bildungsausschuss beschlossen haben, die Landesregierung um eine Gesamtstrategie zur Verbesserung der Leistungen von Grundschüler*innen zu bitten – natürlich schließt diese Gesamtstrategie Mathematik mit ein.
Unser Alternativantrag nimmt deshalb alle Basiskompetenzen in den Blick. Und es ist doch klar: Es gibt nicht die eine Stellschraube, an der wir drehen können, damit die Mathe- und Deutschkompetenzen bei allen Schüler*innen besser werden.
Die Ständige Wissenschaftliche Kommission empfiehlt in ihrem Gutachten „Perspektiven für die Grundschule“ sogar 20 Maßnahmen für die Vermittlung der „Basalen sprachlichen und mathematischen Kompetenzen“.
Einige dieser Maßnahmen halten wir für den Erfolg des Mathe- und Deutschlernens für zentral und wollen sie in Schleswig-Holstein stärker umsetzen. Wir erhöhen zum einen die Lern- und Unterrichtszeit für Mathe und Deutsch, zum anderen wollen wir die Unterrichtsqualität erhöhen und geschlechtsspezifische Leistungsdisparitäten stärker in den Blick nehmen
Mehr Unterrichtszeit bedeutet für uns jeweils eine Stunde mehr in Mathe und Deutsch in den ersten Jahrgangsstufen. Aber: Unterricht, der stattfindet, sollte gut sein. Die Unterrichtszeit soll als Lernzeit effektiv genutzt werden. Dazu gehört das regelmäßige und verstehensorientierte Üben im Lesen, Zuhören, Schreiben und Rechnen.
Wir wollen eine Erhöhung der Unterrichtsqualität auf Basis evidenzbasierter Konzepte. Es ist viel gutes Unterrichtsmaterial und es sind viele effektive Unterrichtsmethoden unterwegs, aber dieser Markt ist unübersichtlich. Wir wollen eine Empfehlung für in Schulen eingesetzte Lern- und Lehrmaterialien auf wissenschaftlich fundierter Basis.
Im Ausschuss habe ich aber schon darauf hingewiesen, dass wir auch einen Weg finden müssen, wie wir wissenschaftliche Erkenntnisse schneller von den Hochschulen in didaktische Konzepte an die Schulen bekommen. Es gibt zum Beispiel in der Sprachwissenschaft Ansätze wie das Feldermodell von Granzow-Emden. Diese Ansätze unterscheiden sich teilweise fundamental von dem, was Deutschlehrkräfte an Schulen beibringen.
Wir nehmen auch die frühkindliche Bildung in den Blick. Bereits die Kita kann spielerisch und alltagsorientiert in mathematische Zusammenhänge einführen und auch die Sprachförderung in der Kita ist besonders wichtig, das haben wir bei der Debatte um die Sprachkitas mehr als deutlich gesehen.
Einen weiteren Befund müssen wir leider festhalten: Von Bildungsgerechtigkeit und Chancengleichheit sind wir weit entfernt. In allen Kompetenzbereichen zeigen sich Disparitäten nach Geschlecht, sozioökonomischen Status und Zuwanderungshintergrund. Die vom Unterricht benachteiligten Schüler*innen müssen wir stärker in den Blick nehmen und diese Unterschiede abbauen.
Abschließend ein weiterer wichtiger Aspekt: Es ist nicht verwunderlich, dass Kinder in sozialen und emotionalen Krisen nicht mal nebenbei Mathe lernen und - auch das zeigt der IQB-Bildungstrend - die psychische Situation von Kindern ist schlechter geworden. Fachunterricht ist ein wichtiger Aspekt, aber wir dürfen ihn nicht isoliert betrachten. Wir sollten neben den basalen Kompetenzen auch die emotional-sozialen Kompetenzen im Blick behalten. Mein übergreifender Wunsch ist ein sozial-emotional lernförderliches Unterrichtsklima, das von Wertschätzung geprägt ist.
Nun Fragen sich einige vermutlich immer noch, was die Lösung auf die Aufgabe zu Beginn meiner Rede ist. Tina hat 16 Bilder und Esther genau 7 weniger, also 9 Bilder.
Vielen Dank für ihre Aufmerksamkeit.
Fraktion SH


