Es gilt das gesprochene Wort!
TOP 34a – Dringlichkeitsantrag zu Griechenland
Dazu sagt die Vorsitzende der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen,
Eka von Kalben:
Meine Damen und Herren,
die Situation in Griechenland ist erschreckend. Mittlerweile ist die Versorgungslage so schlecht, dass sogar das Auswärtige Amt dazu rät Medikamente und ausreichend Bargeld mitzunehmen. Und gleichzeitig stranden tausende Flüchtlinge an griechischen Inseln. Werden von den Griechen versorgt. Es wird geteilt, was noch vorhanden ist. Und das ist zu wenig.
Es gibt viele Baustellen in Europa, einige Krisen:
- Jugendarbeitslosigkeit
- Staatsverschuldung
- Flüchtlingsströme
- Angst vor dem IS
- Konflikt mit Russland.
- TTIP
- Klimawandel
Viele Menschen, in ganz Europa, fragen sich: „Kann ich wirklich von der EU profitieren? Können die PolitikerInnen in Europa die Probleme lösen?“
Am offensichtlichsten ist der fressende Zweifel in England, Ungarn und natürlich in Griechenland. Nationalpopulistische Parteien wie die AfD gibt es in ganz Europa.
Diese Populisten sind ein Grund dafür, warum selbst die, die das Projekt noch vor Jahren mit vorangetrieben haben, nun so verdruckst sind: Die Angst davor, dass ein Zuviel an Europa das Ende von Europa bedeuten könnte. Das öffentliche Bild ist geprägt von Halbwahrheiten. Wir SteuerzahlerInnen zahlen für die reichen RentnerInnen. Dabei gibt es auch Zusammenhänge zwischen unserer guten wirtschaftlichen Lage und der schlechten im Süden Europas.
Ein soziales Europa, ein solidarisches Europa, lässt sich nicht durch nette Worte herbeireden. Es muss gelebt werden. Dazu braucht es einen politischen Willen. Bei den Verhandlungen um die Zukunft Griechenlands in den letzten Wochen, schien dieser Wille abhanden zu gehen. Auf beiden Seiten.
Die Europäische Union lockt mit einem Wohlstandsversprechen. Wer mitmacht, profitiert! Das war der Kerngedanke bei der Einrichtung eines gemeinsamen Binnenmarktes. Nationale Kompetenzen werden abgegeben an supranationale Behörden. Jeder gibt etwas auf, damit am Ende alle mehr haben.
Ich finde, meine Damen und Herren, Griechenland musste sehr viel aufgeben in den letzten Krisenjahren. Viel mehr Kompetenzen als alle anderen Länder musste es abtreten, vom Wohlstandsversprechen ist ohnehin nichts mehr übrig geblieben. Und zur Wahrheit gehört auch, dass sich Griechenland nicht an verbindliche Regeln gehalten hat und aus unserer Sicht zu zögerlich bei der Umsetzung von Reformen war.
Meine Damen und Herren,
Griechenland hat Fehler gemacht, aber die europäischen Partner vielleicht auch:
- Kam der Euro zu früh?
- Kann man eine Währungsunion bilden, ohne sich auf anderen Politikfeldern anzunähern?
- Brauchen wir größerer politische, vor allem wirtschaftspolitische Kompetenzen und Verantwortlichkeiten in Brüssel?
- Ist die Demokratie in den europäischen Institutionen stark genug?
All diese Fragen sind nicht beantwortet, weil es darüber auch keine Einigkeit gibt. Die Antworten darauf sind vielfältig und sehr unterschiedlich. Die Ideen der europäischen PolitikerInnen sind oft andere als die der Nationalpolitiker.
Der Traum von offenen Grenzen mit Erasmusstudien in allen Großstädten der Welt ist ein anderer, als vieler Bevölkerungsteile in den gleichen Städten, die sich vom Wohlstandsversprechen abgehängt fühlen.
Wir Grüne fordern:
- Mehr Kompetenzen für das europäische Parlament
- Mehr Transparenz und mehr Demokratie bei den Europäischen Gesetzgebungsprozessen
- Mehr Europa
Meine Damen und Herren,
Politik ist auch Befindlichkeit! Es gibt neben der Sachebene, immer die der Stimmungslage. Und diese Stimmung wurde von beiden Seiten ordentlich angeheizt. Zum Teil vermutlich wirklich aus tiefer Verärgerung. Zum Teil aber auch um das eigene Klientel zu bedienen. Das in Athen und das in München.
Was wir jetzt brauchen sind:
- Neues Vertrauen in Griechenland und im Rest der europäischen Länder.
- Reformen im Land, die nicht zu Lasten der Ärmsten im Land gehen Investitionen in die Wirtschaft.
- Eine Art Marshallplan zum Beispiel in den Aufbau erneuerbarer Energien. Wind und Sonne für den europäischen Strommarkt.
- Und wir müssen auch über die Schulden sprechen, die – das ist so klar wie das Mittelmeer – in absehbarer Zeit nicht abgebaut werden können.
Nur eine Kombination aus Umschuldung, sinnvoller Reformpolitik und Investitionsmaßnahmen kann das europäische Wohlstandsversprechen für die Griechen wieder einlösen. Und nur so lassen sich langfristig antieuropäische und nationalistische Kräfte ausbremsen.
Meine Damen und Herren,
wir brauchen ein Europa der Perspektiven, keines der Armut und Ausgrenzung!
Fraktion SH


