Wir stellen uns wieder an die Seite der anderen Bundesländer

Es gilt das gesprochene Wort!

TOP 2 – Glücksspieländerungsstaatsvertrag

 

Dazu sagt der finanzpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen,

Rasmus Andresen:

Wir beraten heute über ein Thema, bei dem wir Grüne immer zwischen den Stühlen standen. Lassen Sie es mir hier deshalb gleich am Anfang ganz deutlich sagen: Es ist richtig, dass wir dem Staatsvertrag der 15 anderen Bundesländer beitreten. Auch wenn wir in dem Rahmen erheblichen Nachbesserungen wollen.

Für uns steht im Zentrum der Debatte die Frage, ob es sinnvoll ist, dass Schleswig-Holstein zum allein stehendem glückseligem Glückspielparadies wird. Schleswig-Holstein war drauf und dran, ein Glücksspielparadies zu werden – ein Paradies allerdings vor allem für die Anbieter von Glücksspiel, die vom Sonderweg im Land profitiert haben und im übrigen in unverschämter Art und Weise in unseren Anhörungen aufgetreten sind.

Ein Paradies weniger für die SpielerInnen. Natürlich ist Glücksspiel zunächst eine Freizeitaktivität und kann sogar Spaß machen, aber wenn daraus eine ernste Abhängigkeit wird, ist es die Hölle auf Erden. Dies dürfen wir nicht allein ökonomischen Überlegungen unterordnen.

Der Sonderweg beim Glücksspiel hat unserem Land politisch massiv geschadet. Der Versuch, die anderen Länder unter Druck zu setzen, ist gescheitert. Stattdessen standen wir zunächst völlig isoliert da und sind als einziges Land nicht dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag beigetreten. Damit wurde die Chance vertan, auf eine Regulierung Einfluss zu nehmen, die für weit mehr Menschen gilt als für die 2,8 Millionen Schleswig-HolsteinerInnen. Schwarz-Gelb hat hoch gepokert und sich politisch gründlich verzockt.

Wir treten jetzt geschwächt in einen Staatsvertrag ein, der weitgehend ohne uns ausgehandelt wurde. Schwarz-Gelb hat die Chance vertan, bei wichtigen Knackpunkten wie dem Onlinepoker die anderen Länder von einem realitätsnäheren Kurs zu überzeugen.

Denn auch wir Grüne sagen: Ein Komplettverbot von Onlineglücksspiel und eine Minimalliberalisierung von Sportwetten sind nicht mehr zeitgemäß.

Der erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag ist Ausdruck einer nicht ganz unproblematischen Haltung – nach dem Motto „was ich verbiete, findet nicht mehr statt“. Dabei ist das Gegenteil der Fall. Onlineglücksspiele florieren, aber sie tun das auf einem immer größer werdenden Schwarzmarkt.

Damit verpassen die Bundesländer die Chance, diese Spiele legal zu kanalisieren, zu überwachen und Jugend- und Spielerschutz umzusetzen. Zuletzt verzichten die Länder durch die Illegalisierung darauf, dieses Riesengeschäft zu besteuern und damit die Bewältigung der Folgen und die Präventionsarbeit zu finanzieren.

An dieser starren Haltung wollte Schwarz-Gelb nichts ändern, weil sie den Weg der Totalblockade gewählt haben und aus der gemeinsamen Verantwortung ausgestiegen sind.

Trotz der Defizite des Staatsvertrags ist es wichtig, dass wir uns den übrigen Ländern anschließen. Wir Grüne haben immer wieder betont, wie wichtig eine gemeinsame Lösung bei der Regulierung des Glücksspiels in Deutschland ist.

Derzeit gleicht die Regulierung einem großen einfarbigen Teppich mit einem völlig unpassenden Flicken ganz oben im Norden. Dieser Flicken stört das ganze Bild. Denn gerade beim Glücksspiel ist eine kohärente Regelung wichtig: In Zeiten des Internets macht das Glücksspiel doch nicht an Landesgrenzen halt. Das beste Beispiel sind doch die gerade vergebenen Onlinepoker-Lizenzen, die der schwarz-gelbe Sonderweg uns jetzt noch beschert hat. Die Lizenz gilt zwar nur für Schleswig-Holstein – theoretisch kann sich aber jede Userin und jeder User in der Bundesrepublik einloggen, wenn sie oder er einmal ein Profil in Schleswig-Holstein angelegt hat.

Schleswig-Holstein profitiert vom Gewinn, während die sozialen Folgekosten bei anderen Ländern bleiben. Das ist ein Affront gegen die anderen Bundesländer und die Aufkündigung der föderalen Solidarität.

Genauso sieht es bei dem heutigen BGH-Beschluss zu Onlinewetten aus. Durch die Inkohärenz, die mit dem schleswig-holsteinischen Blindflug geschaffen wurde, steht das Onlineverbot der anderen Länder in Frage. Ja, auch wir sehen das Onlineverbot kritisch, aber wir wollen diese Debatte mit den anderen Ländern politisch führen, und nicht mittels Gerichtsverfahren, die durch den schwarz-gelben Alleingang ausgelöst wurden.

Mit der heutigen Abstimmung stehen wir nicht am Ende der Debatte ums Glücksspiel – im Gegenteil. Mit dem Beitritt in den Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag bekommen wir nun endlich die Möglichkeit, bundesweit mitzumischen und unseren Standpunkt einzubringen. Dies muss aus unserer Sicht deutlich früher passieren als 2017, wenn die Evaluierung des Fachbeirats veröffentlicht wird.

Neben den notwendigen inhaltlichen Korrekturen am Staatsvertrag werden wir uns auch weiterhin mit der EU-rechtlichen Zulässigkeit des Vertrags beschäftigen müssen. Dabei sind die Antworten keineswegs so klar, wie Sie, Herr Kubicki, das gerne darstellen. Beispielsweise hat Professor Stegbert Alber, Generalanwalt am EuGH a.D., keine besonderen europarechtlichen Bedenken zum Eintritt in den Staatsvertrag geäußert.

Anders sieht es mit dem Staatsvertrag selbst aus. Hier sind besonders die beschränkten Sportwettenkonzessionen und die Ungleichbehandlung von Automatenspielen und Spielhallen das Problem. Das Notifizierungsverfahren hat gezeigt, dass die EU-Kommission unserem Vorhaben sehr kritisch gegenübersteht und auf weitere Liberalisierung drängt. Doch letztendlich ausschlaggebend wäre ein Urteil des EuGH – insofern ist die Notifizierung zwar wichtig, aber nicht entscheidend.

Beim Glücksspiel haben wir Grüne es uns nie leicht gemacht, nie nach einfachen Antworten gesucht. So ist es auch jetzt. Letztendlich müssen wir abwägen: Wollen wir einem nicht perfekten Staatsvertrag beitreten oder weiterhin bei unserem zwar EU-rechtskonformen, aber letztlich separatistischen Sonderweg bleiben? Unsere Antwort und die Antwort der Koalition ist: Schleswig-Holstein verlässt den Sonderweg, wir stellen uns wieder an die Seite der anderen Bundesländer. Wir tun das in dem Bewusstsein, dass der Staatsvertrag nicht vollkommen – aber genauso wenig unveränderlich ist.

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