Rede ohne Aussprache
TOP 21 – Recht auf anonymes Fernsehen
Dazu sagt der netzpolitische Sprecher der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen,
Rasmus Andresen:
Mehr informationelle Selbstbestimmung – auch beim Fernsehen!
Für viele Menschen hat TV schauen eine Abschaltfunktion. Man lässt die Seele baumeln und will für sich oder mit anderen abschalten oder einen netten Abend verbringen.
Doch auch dieser Moment der scheinbaren Intimität wird zunehmend digital erfasst und ausgewertet. Wer in den Genuss kommt, sich ein Smart-TV leisten zu können, wird von den Herstellern gleich doppelt abkassiert. Zum einen für den Fernseher und zum anderen für die Datensätze, die der Hersteller für gezielte Werbung nutzen kann.
Smart-TVs sind mit den herkömmlichen Röhrenfernsehren inetwa so vergleichbar, wie die ersten Mobiltelefone vor 25 Jahren mit modernen Smartphones. Ein kleiner Computer im Fernseher ermöglicht unter anderem den Zugriff auf das Internet und somit auf diverse, oft sinnvolle Dienste.
Auch zunehmende Online TV Angebote wie beispielsweise über den amerikanischen Streamingdienst Netflix und der dort laufenden amerikanischen Politserie House of Cards, die übrigens in der Grünen Fraktion viele Anhänger hat, verschärfen die Problematik.
Die Grenzen zwischen Fernsehen und Internet verschwimmen. Und deshalb holen uns die Diskussionen, die wir in den letzten Jahren bei Smartphones und Tablets hatten, auch im TV Bereich ein.
Der britische Blogger DoctorBeet analysierte ein Smart-TV des südkoreanischen Herstellers LG.
Er kommt zu dem Schluss, dass es LG möglich ist, beliebte Programme, online Verhalten und Suchkennwörter der Nutzer*innen zu auszuwerten.
Und auch die TU Darmstadt hat dies ebenfalls für diverse andere Smart-TVs festgestellt.
Jeder Senderwechsel, jede heruntergeladene oder verwendete App, sogar das Anschließen eines privaten USB-Sticks wird vom Hersteller erfasst, ausgewertet und verwendet. So wird also gespeichert, ob wir gerade Handballbundesliga, Tagesthemen oder das Dschungel Camp geguckt haben…
Dinge, über die wir selber entscheiden müssen, ob sie erfasst werden.
Besonders brisant ist, dass diese Informationen meist unverschlüsselt an den Hersteller übermittelt werden. Das bedeutet, jeder auf der Leitung, sei es der Service-Provider, Gebührendienstleister oder sonstige daran interessierte Akteure, können all dies mitlesen.
In der Regel sollte sich dieses Überwachen des Nutzer*innenverhaltens mit dem wegnehmen einiger Häkchen verhindern lassen. Der eben angesprochene Blogger DoctorBeet jedoch kommt bei dem LG Modell zu der Erkenntnis, dass die Daten erfasst und verschickt werden. Egal welches Häkchen man angeklickt hat.
Das mag vielleicht ein Fehler im System sein, doch stellt sich da generell die Frage, warum sich eigentlich standardmäßig die Einstellungen im datenschutzrechtlich kritischen Bereich befinden. Warum sollte nicht ein gewisses Maß an Anonynimität und Autonomität eingehalten werden? Wäre es nach dem Vorbild der informationellen Selbstbestimmung nicht viel sinnvoller, die Einstellungen im Auslieferungszustand so zu gestalten, dass keine Daten erhoben, ausgewertet und verwendet werden? Nutzer*innen, die sich dann bewusst für gezielte Werbung entscheiden möchten, können dies dann durch die nötigen Häkchen an richtiger Stelle tun.
Das wäre Privacy by default – also datenschutzfreundliche Voreinstellungen.
Dies sollte Standard moderner Unterhaltungs- und Informationstechnologie sein!
Wir stimmen dem Antrag der Piraten zu. Denn es darf nicht sein, dass Empfänger zu Sendern werden. Die im Hintergrund erfassten Daten lassen ein ziemlich genaues Profil der Zuschauer*innen zu und greift damit sehr gravierend und unbewusst in unsere Privatsphäre ein. Das ist nicht akzeptabel.
Die eigene Wohnzimmercouch muss ein privater Rückzugsort bleiben.
Fraktion SH

